Gesundheitsmanagement als Erfolgsfaktor

Der Nationale Gesundheitstag Musik der Swissmedmusica hat am 9. November 2024 im Neubad Luzern die Brücke zwischen Musikpädagogik, Sport- und Musikermedizin geschlagen.

Der diesjährige Tag begann buchstäblich mit Paukenschlägen: Das Mallets-Ensemble Oberer Sempachersee der Musikschule Oberer Sempachersee begeisterte zur Eröffnung mit Energie und Virtuosität, bevor der Zürcher Sport- und Musikermediziner Christoph Reich aufzeigte, wie sich Konzepte des Selbstmanagements vom Sporttraining auf das Musizieren übertragen lassen. Eine Überlastungsproblematik sei, so Reich, zuallererst die Folge einer zu schnellen oder zu punktuellen Belastungssteigerung. Mechanische und statische Faktoren beeinflussten die Toleranzreserve. Sie müssten eruiert und angepasst werden.
Cinzia Cruder (Conservatorio della Svizzera Italiana und University of Applied Sciences and Arts of Southern Switzerland) und Dawn Rose (Hochschule Luzern – Musik) präsentierten aktuelle Forschungen aus den Schweizer Musikhochschulen. Letztere schliessen sich erfreulicherweise zusammen, um in einer Langzeitstudie Risiken der spielbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen (Playing-Related Musculoskeletal Disorders, PRMD) zu evaluieren. Cinzia Cruder präsentierte Resultate ihrer paneuropäischen «Rismus»-Studie («Risk Of Music Students»).
Sie weist nach, dass bloss ein Drittel aller Musikstudierenden nicht unter PRMD leiden. Dawn Rose mahnte an, dass die Studierenden und die Musikhochschulen eine gemeinsame Verantwortung für ihr Wohlergehen haben und traditionelle Vorstellungen von Erfolg hinterfragt werden müssen. Etwa wenn es um die nach wie vor herumgeisternde Überzeugung geht, Fortschritte müssten mit Schmerzen erkauft werden oder die Suche nach Hilfe sei bereits ein Zeichen des eigenen Versagens.
Wenn es darum geht, das Gesundheitsmanagement in der Musikpädagogik zu sichern, muss neueren Entwicklungen Rechnung getragen werden. Neben den traditionellen Musikschulen beleben immer mehr private Musikschulen und sogar globale Onlineangebote den Markt. Damit bestimmen die Lernenden – vor allem diejenigen mit sehr knappen finanziellen Ressourcen – immer mehr, welche Formen des Unterrichts sie autonom kombinieren wollen. Die Perspektive der privaten Anbieter brachte Gerhard Wolters, der Gründer einer eigenen Akademie ein. Man konnte aus seinen Ausführungen schliessen, dass er die ungehinderte intrinsische Motivation von Lernenden als vermutlich wichtigste Präventionsmassnahme betrachtet.
Der deutsche Psychiater und Musikermediziner Peer Abilgaard wies zum Schluss darauf hin, dass der weitaus grösste Anteil am Gelingen des Musikunterrichts die gelingende, vertrauensvolle Beziehung ist und dass die exzellentesten Musiker, vor allem diejenigen, die in ihren Ausbildungen nie mit Krisen oder verstörenden technischen Herausforderungen zu kämpfen hatten, nicht unbedingt auch die besten Pädagogen sind. Geraten Studierende in Krisen, sei es entscheidend, ihr Leid zu würdigen und dem Reflex zu widerstehen, dieses herunterzuspielen.

Kann die Musikermedizin von der Sportmedizin lernen?

Christoph Reich ist Swissmedmusica-Mitglied und war mehrere Jahre leitender Mannschaftsarzt des Fussballclub Zürich. Er leitet den Medizinischen Dienst des Swiss Paralympic Commitee, ist Verbandsarzt des Schweizerischen Verbands für Behindertensport Plusport und Betreuender Arzt des Regionalen Leistungszentrums Rhythmische Gymnastik.

Was kann die Sportmedizin der Musikermedizin mitgeben?
Christoph Reich: Kurz gesagt: Einen nüchternen Blick auf die Bewegungsmechanik und auf den Trainingszustand. Der Sport hat trotz allen auch dort vorhanden Emotionen und der Bedeutung des körperlichen Ausdrucks in einzelnen Sportarten letztlich viele sehr sachliche Aspekte: Zählen, messen und direkt vergleichen, und so ist es nicht verwunderlich, dass die Bewegungsanalyse, das Wissen über die physikalische Belastbarkeit von Sehnen und der Blick auf den Trainingszustand im Sportalltag sehr präsent sind.

Was können Musiker und Musikerinnen von der Sportmedizin lernen?
Dank der Musikermedizin und der Musikphysiologie ist dieses Wissen heute auch sehr präsent in der Musikerausbildung, und es ist auch bei den Musikern und Musikerinnen angekommen. Letztlich geht es darum, bei der Belastungsgestaltung im engen Kontakt mit dem eigenen Körper zu stehen und mit diesem einen partnerschaftlichen Umgang zu pflegen. Unser Körper ist sehr belastbar, aber immer nur für die Belastungen, auf die er gut vorbereitet wurde.

Mehr zum Nationalen Gesundheitstag Musik vom 9. November 2024 in Luzern: swissmedmusica.ch/gesundheitstag

Zwischen Massenpanik und Musikermedizin

Deutschland hat ihn einst für seine Betreuung der Opfer der Duisburger Loveparade geehrt. Heute lehrt er in Köln die Grundlagen des gesunden Musizierens. Am Nationalen Gesundheitstag Musik ist Peer Abilgaard am 9. November in Luzern zu erleben.

Peer Abilgaard hat an der Hochschule für Musik und Tanz Köln Gesang und Trompete studiert und war als Countertenor Gastsolist am Staatstheater Darmstadt und in den Opernhäusern in Halle, Gera, Altenburg und Bonn. An das Musikstudium schloss er ein Medizinstudium an der Universität Bonn an. Heute ist er Chefarzt der Klinik für Seelische Gesundheit am Evangelischen Klinikum Gelsenkirchen und Prüfer in verschiedenen deutschen Ärztekammern.

An der Musikhochschule Köln gründete er 2009 das Peter-Ostwald-Institut für Musikergesundheit. Auch das «Netzwerk Musikermedizin Nordrhein», ein loser Zusammenschluss von Therapeutinnen und Therapeuten, Ärztinnen und Ärzten unterschiedlichster Fachrichtungen, geht auf ihn zurück. Als Gründungsmitglied der «Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin» ist er seit vielen Jahren an der Schnittstelle von ausübender Kunst, Musikpädagogik und Medizin engagiert. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen verfolgt er innerhalb der Fachgesellschaft eine ressourcenorientierte Weiterentwicklung des noch jungen Faches.

Als Autor beschäftigt sich Abilaard mit resilienz- und würdeorientierten Ansätzen in der Psychotherapie, dem Stellenwert nonverbaler Psychotherapie und einer ichstärkenden Musikpädagogik.

Mehr zu Peer Abilgaard
Mehr zum Nationalen Gesundheitstag Musik:
swissmedmusica.ch/gesundheitstag

Gesundheitstag Musik – deine Angebote

Der Nationale Gesundheitstag Musik vom 9. November 2024 in Luzern steht unter dem Motto «Prevention and Musical Excellence» und informiert möglichst umfassend über Präventions- und Therapieangebote in der Schweiz. Anbieter haben die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen an einer Tischmesse zu präsentieren.

Der Nationale Gesundheitstag Musik vom 9. November 2024 in Luzern steht unter dem Motto «Prevention and Musical Excellence» und informiert möglichst umfassend über Präventions- und Therapieangebote in der Schweiz. Hochkarätige Referate informieren über die neuesten Entwicklungen in der musikermedizinischen Forschung, in Workshops können Techniken des gesunden Musizierens erfahren werden. Eine Tischmesse mit Info-Materialien bietet einen Überblick über Therapie- und Präventionsangebote in der ganzen Schweiz. Fachleute beantworten zudem gerne Fragen zu individuellen Strategien des gesunden Musizierens und zur Steigerung des Wohlbefindens im Musikalltag. Die Referate werden simultan übersetzt. An der Tischmesse präsentieren sich vor allem die Mitglieder des schweizweiten Swissmedmusica-Netzwerkes. Damit sind hohe Qualität und Seriosität der Angebote sichergestellt.

Mitglied werden und Angebote präsentieren

Interessierte, die noch nicht Mitglieder von Swissmedmusica sind und an der Tischmesse des Gesundheitstages eigene musikermedizinische Angebote präsentieren möchten, können bei Swissmedmusica eine Mitgliedschaft beantragen. Mitglieder werden können auch interessierte Musikerinnen und Musiker. Swissmedmusica unterstützt alle auf dem Weg zum gesunden und emotional erfüllten Musizieren. Mitglieder profitieren überdies von Vernetzungsplattformen aller musikermedizinisch Aktiven in der Schweiz und international, einem exklusiven inhaltsreichen Newsletter mit Informationen zu Medien, Veranstaltungen und aktueller Forschung in der Musikermedizin sowie Vergünstigungen für Fachzeitschriften und dem Eintritt zum Gesundheitstag Musik.

Mehr Infos: swissmedmusica.ch/mitgliedschaft

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